Was macht einen Helden aus? Auf jeden Fall braucht er die Fähigkeit, schwierige Situationen zu bewältigen, auch wenn es Wunden und Verletzungen setzt. Er muss wieder aufstehen, wenn er am Boden liegt. Das kennzeichnet Resilienz.
Wenn Resilienz eine Eigenschaft von Helden ist, was hat sie dann mit uns Normalsterblichen zu tun? Welche Verbindung gibt es zu unseren etwas kleiner dimensionierten alltäglichen Schwierigkeiten?
Die Antwort: Wir können unsere psychische Resilienz tatsächlich stärken. Dazu ist es wichtig zu verstehen, was Resilienz ausmacht.
Was ist Resilienz – Definition
Was unterscheidet Menschen, die schlimmste Lebensereignisse ohne nachhaltigen Schaden überstehen von Menschen, die lange am Boden liegen bleiben und leiden? Dazu gibt es inzwischen viele Forschungsergebnisse.
Glasklar ist: es geht nicht darum, sich einzureden, dass alles ok sei und man es schon schaffen werde. Resilienz bedeutet auch in Stress, Angst, Einsamkeit und Trauer offen zu sein für Liebe, Dankbarkeit, Freude und Hoffnung. Resiliente Menschen wissen, dass unterschiedliche Gefühle gleichzeitig in unserem Leben sein können und dürfen.

Der springende Punkt ist der Blick auf schwierige Situationen. Aus welcher inneren Haltung heraus begegnen wir Herausforderungen und Lebenskrisen? Diese inner Haltung entsteht durch unterschiedliche Faktoren, die wir stärken können, wenn wir das wollen.
Warum deine Resilienz davon abhängt, welche Geschichten du dir selbst erzählst
Wie du selbst die Situation bewertest, in der du bist, ist ausschlaggebend für deine Resilienz. Ja, Schmerz ist erstmal Schmerz. Zu langfristig prägendem Leid kommt es wegen unserer Einstellungen. Sie bestimmen unsere Gefühle in einem viel größeren Maße, als wir uns dessen bewusst sind.
Was du denkst, wenn gerade etwas passiert, beeinflusst dein Erleben in folgenden Situationen. Wenn du aus Versehen deine Lieblingstasse zerbrichst, kannst du denken „oh, wie schade“ oder den abwertenden Gedanken haben „dass mir immer sowas passieren muss“.
Es ist wie bei dem Spiel, in dem Leute einen Satz bekommen und daraus eine Geschichte machen müssen: es hängt nicht am Satz, wie die Geschichte endet, es hängt am Erzähler.
Das gilt für die kleinen Malheurs des Alltags und die großen Katastrophen des Lebens gleichermaßen. Und weil das so ist, ist es wichtig, die eigenen Routinegeschichten zu kennen, die Themen, die immer wieder vorkommen und mit denen wir uns die Welt erklären.
Geschichten können beginnen mit „Es hat gar keinen Sinn, dass ich es versuche. Ich kann das einfach nicht“ oder „Ich bin ein ungeschickter Mensch, das hat schon mein Vater gesagt“. Eine meiner Lieblingsgeschichten ist: „das hat jetzt zwar geklappt, aber gleich werde ich es vermasseln.“
Wenn du merkst, dass du dir eine Geschichte erzählst, nimm eine andere Perspektive ein. Versuche die Situation aus der Sicht einer anderen, freundlichen Person zu sehen. Oder sprich darüber mit jemandem, dem du vertraust.
Unsere Helden haben ihre Stärke aus der Akzeptanz der Unsicherheit, in die sie gehen, und der Unterstützung durch andere Lebewesen. Sie verändern ihre Sicht der Dinge und kehren mit diesem neuen Wissen in den Alltag zurück. Sie zeigen uns, wie wir unsere Resilienz stärken können.
Die 5 Faktoren um Resilienz zu stärken
1. Grundlage für Resilienz: die aktuelle Situation akzeptieren
Das Wichtigste für Resilienz ist, dass wir uns nicht im Kampf gegen die aktuelle Situation festbeißen. Gegen Tatsachen zu kämpfen, ist ziemlich aussichtslos. Ein gebrochenes Bein bleibt ein gebrochenes Bein. Und älter werden wir auch alle, ob uns das passt oder nicht. Zunächstmal ist es eine natürliche Reaktion, etwas Unliebsames nicht wahrhaben zu wollen. Nur – das hilft uns nicht, mit der Situation fertig zu werden.
Die Situation zu akzeptieren heißt nicht, dass ich etwas gut finde. Akzeptanz heißt, dass ich erkenne, dass eine schwierige, krisenhafte Situation Realität ist und damit zum Ausgangspunkt für mein Handeln werden kann. Diese Haltung wir sehr gut in diesem bekannten Gebet von Reinhold Niebuhr beschrieben:
Gott gebe mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr
Die Infektionsgefahr durch Corona ist so eine krisenhafte Situation, die wir nicht ändern können. Wir können aber unser Handeln darauf einstellen. Vielleicht ist unser erster Gedanke als Reaktion auf eine Krise: „das darf nicht wahr sein“. Akzeptanz bedeutet, anzuerkennen, dass es wahr ist.
Wir alle erleben Höhen und Tiefen in unserem Leben. Wenn wir das akzeptieren, auch wenn es uns schwerfällt, haben wir den ersten Schritt zur Stärkung unserer Resilienz getan.
2. Unsere Sicht auf die Welt stärkt oder schwächt unsere Resilienz
Welche Grundannahmen haben wir über die Welt? Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Dinge mit der Zeit eher zum Positiven enwickeln, können wir mit Krisen besser umgehen. Ist die Welt eher ein guter Ort oder sollte man eher mit dem Schlimmsten rechnen? Wie sehr die eigene Überzeugung über die Welt die Resilienz beeinflusst, hat der Corona-Lockdown gezeigt: Menschen leiden mehr unter der Krise und entwickeln eher posttraumatische Symptome wenn sie
- nur schlecht Unsicherheit aushalten können
- sehr mißtrausch gegenüber anderen Menschen sind.
- wenig Hoffnung haben, dass es besser wird
Umgekehrt können wir durch einen optimistischeren Blick auf die Welt unsere Resilienz stärken durch
- eher positiven Zukunftseinschätzungen
- den Glauben an das Gute in der Welt und
- eine hohe Identifikation mit der gesamten Menschheit.
Diese Haltungen helfen eher dabei, neue Fähigkeiten zu entwickeln (posttraumatisches Wachstum).
3. Resilienz stärken durch Selbstwirksamkeitsgefühle
Nach dem ersten Schock durch eine schwere Situation können wir uns langsam daran denken, was wir jetzt tun können. Wenn uns klar wird, dass wir durch eigene Aktivität etwas an unserer Situation verbessern können, geht es uns schon besser. Auch wenn es nur etwas ganz Kleines ist. Wichtig ist, aus der Opferhaltung zu kommen. Wahrscheinlich machen wir dann auch gute Erfahrungen. Vielleicht nicht gleich, aber doch mit der Zeit.
Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen, selbst oder mit anderen Menschen Lösungen zu finden und entsprechend handeln zu können. Indem wir aktiv nach Möglichkeiten suchen, etwas an der Situation zu verbessern, sorgen wir für unsere eigene Resilienz.
4. Resilienz stärken, indem wir positiven Erlebnissen Raum geben
Auch wenn gerade alles sehr schwer ist, sind positive Augenblicke wichtig. Stattdessen nehmen wir Erfreuliches, das uns begegnet, weniger wahr als sonst, wenn wir sehr niedergeschlagen oder gestresst sind. Ein freundlicher Mensch, eine schöne Blume erscheinen uns vielleicht als nicht relevant.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass wir mehr Widerstandskraft haben, wenn wir häufiger positive Emotionen erleben.

Das gilt auch für die äußersten Extremlagen des Lebens. Viktor Frankl beschreibt die Freude, das KZ-Häftlinge durch das Betrachten eines Sonnenuntergangs erlebten.(1) Was können wir dafür tun, damit wir bewusst mehr angenehme Erlebnisse haben, auch in einer Krise?
Für dich selbst dazusein stärkt deine Resilienz
Je mehr du gestresst, ängstlich, einsam oder deprimiert bist, desto wichtiger ist es dir Zeit zu nehmen, um dich zu bewegen und für dich selbst zu sorgen. Das, was du gerne tust, körperliche Bewegung, Hobbys, Meditation oder Gebet, lässt positive Gefühle in dir entstehen, ob du gerade alleine bist oder mit anderen zusammen. (2) Achtsamkeit unterstützt dich dabei, Positives im Alltag wahrzunehmen. Selbstmitgefühl hilft dir, dich nicht in deinem Leiden zu versenken. All dies stärkt deine Resilienz.
Vielleicht macht es Sinn für dich, dir dafür Zeit in deinem Kalender einzutragen. So hast du Verabredungen mit dir selbst für diese förderlichen Aktivitäten.
Für Andere dazusein stärkt deine Resilienz noch mehr
Wenn du noch mehr Positives erleben willst, versuche andere zu unterstützen. Dazu gehören Aufmerksamkeit, Fürsorge und Verbundenheit. Altruistisches Verhalten ist nicht nur gut für diejenigen, die Hilfe erhalten. Es ist auch für diejenigen gut, die andere unterstützen. Förderliche körperliche und seelische Wirkungen werden in Studien immer wieder belegt. Voraussetzung ist allerdings, dass „die gute Tat“ freiwillig gemacht wird.
5. Resilienz stärken durch Verbundenheit mit anderen Menschen
Mit jemandem sprechen können über das, was passiert ist oder gerade passiert ist sehr wichtig. Nicht alleine bleiben mit dem, was auf uns lastet. Ob als vertrauensvolles Gespräch unter vier Augen oder im Zusammentreffen mit einer Gruppe von Menschen, die ähnlich empfinden. Verbundenheit hilft uns, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten.
Je mehr wir uns mit Anderen verbunden fühlen oder zusätzlich Fürsorge für sie empfinden, desto mehr positive Gefühle entstehen. Zwischenmenschliche Nähe ermöglicht uns, die Verbundenheit zu genießen.
Barbara Fredrickson und ihr Team haben Resilienz 2020 in der Lockdown-Situation in den USA untersucht. Sie kommen zu dem Schluß:
Diese positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit scheinen längerfristig zu sein und die Resilienz zu stärken. Ein gutes Miteinander ist für uns überlebenswichtig.
Es ist wie in Heldengeschichten: die Heldenfigur trifft Menschen, Tiere oder andere Lebewesen, die ihr helfen. Ohne sie kann die Mission nicht erfüllt werden.
Wenn du dich jetzt fragst, wie resilient du selbst bist, mache den wissenschaftlich überprüften Resilienztest.
Du erfährst dadurch wie groß deine Widerstandskraft ist. Und du erhältst noch wertvolle Tipps zum Umgang mit Stress, um deine Widerstandskraft aufzubauen.
Heldengeschichten erzählen vom Scheitern und Suchen des „richtigen“ Wegs. Von dem, was wir brauchen, wenn wir uns in Schwierigkeiten befinden. Sie erzählen vom Lernen. Und von der Hoffnung, verwandelt zurückzukehren.
Ich wünsche dir eine gute Heldenreise.
Quellen
(1) Viktor E. Frankl: … trotzdem Ja zum Leben sagen, S. 68f, München 1995
(2) Michael Prinzing, Barbara Fredrickson: Four Ways to Feel Good on a Hard Day in Lockdown, June 16, 2020
Informationen zum Umgang mit den psychischen Folgen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie und Empfehlungen zur Stärkung Ihrer psychischen Gesundheit vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung: https://lir-mainz.de/wie-kann-ich-mich-stark-machen-zum-umgang-mit-stress-angst-und-negativen-gefuehlen
Stangl, W. (2020). Stichwort: ‚Resilienz‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/593/resilienz/ (2020-06-19)
Vazquez, Carmelo, Carmen Valiente, Felipe E. García, Alba Contreras, Vanesa Peinado, Almudena Trucharte, und Richard P. Bentall. „Post-Traumatic Growth and Stress-Related Responses During the COVID-19 Pandemic in a National Representative Sample: The Role of Positive Core Beliefs About the World and Others“. Journal of Happiness Studies 22, Nr. 7 (1. Oktober 2021): 2915–35. https://doi.org/10.1007/s10902-020-00352-3.