Aktualisiert am 3. September 2023

Irgendwie fallen zwischenmenschliche Beziehungen oft hinten runter bei der Gestaltung unseres Alltags. Andere Dinge scheinen einfach wichtiger zu sein.

1. Gute zwischenmenschliche Beziehungen sind eine Grundlage für dein Lebensglück

Die Erfüllung deiner Bedürfnisse ist wichtig für dich? Dann solltest du dich um deine zwischenmenschlichen Beziehungen kümmern. Denn Verbundenheit ist ein psychisches Grundbedürfnis. Wärme, Bindung und Fürsorge in zwischenmenschlichen Beziehungen sorgen für seine Befriedigung. Deshalb brauchen wir verlässlichem, positiven Kontakt mit anderen Menschen. Und wir brauchen das Gefühl, dass wir auch für sie wichtig sind. Ob das ihm Rahmen von Freundschaft, Lebenspartnerschaft oder Familienzugehörigkeit passiert, spielt ist dafür egal.

Für einige Menschen ist das aber nicht leicht zu akzeptieren. Manchen geht Unabhängigkeit über alles. Sie fühlen sich unwohl, wenn zwischenmenschliche Nähe entsteht. Das ist eine folgenschwere Fehleinschätzung, die eher zu mehr Unzufriedenheit als zu mehr Glück führt.

Andere Menschen haben wenig Vertrauen und machen sich deshalb Sorgen, ob ihre Freunde für sie da sein werden, wenn sie sie brauchen. Sowohl die Überschätzung der Autonomie als auch zu große Angst vor Enttäuschungen führt dazu dass solche Menschen weniger Unterstützung in schwierigen Situationen suchen.

Verbundenheit in zwischenmenschlichen Beziehungen ist unabdingbar für unser Wohlbefinden. 2 Junge Frauen schauen zusammen aus dem Fenster.

Dementsprechend sind sie auch weniger ansprechbar und sensibel für die Bedürfnisse ihrer Freundinnen und Freunde. Das schwächt die Verbundenheit. Und hat langfristige Auswirkungen für das psychische Wohlbefinden und die geistige Gesundheit.

Denn wenn wir uns über unsere zwischenmenschlichen Beziehungen freuen, wenn wir emotionale Nähe wertschätzen, werden wir auch weniger anfällig für Stress (Cortisolwerte) und Schmerzen.

Eine dänische Studie mit 38.000 Menschen zeigte, dass enge Freundschaften und aktives Eingebundensein in lokale Aktivitäten wie Kirche, Lerngruppen, NGo’s oder politische Gruppen die Anfälligkeit für Depressionen deutlich senkt. Verbundenheit ist der Schlüssel, nicht die pure Anzahl von Kontakten.

Das passt zwar nicht unbedingt zu dem, worum wir uns aus Sicht der westlichen Kultur vorrangig kümmern sollen, aber die weltweiten Aussagen von Menschen über ihr Lebensglück machen die Zusammenhänge klar: Menschen, die Familie, Freundschaft/Freizeit und Fürsorge für andere hoch schätzen, sind tendenziell zufriedener mit dem Leben.

2. Gute zwischenmenschliche Beziehungen sind ausschlaggebend für ein gesundes langes Leben

Was erhält unsere Gesundheit im Alter? Die Ergebnisse der medizinischen Forschung der letzten beiden Jahrzehnte dazu waren eine Überraschung. Denn es ging weder um Cholesterinspiegel noch um Bluthochdruck.

Was ein gutes Leben ausmacht – die Harvard-Studie

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Was sind die Gründe dafür, dass einige Menschen ein langes gesundes Leben führen und andere früh erkranken oder sogar sterben? Zur Überraschung der Ärzte zeigte die Harvard-Studie, dass die Qualität der Beziehungen im Alter von 50 Jahren die beste Vorhersage für ein gesundes langes Leben erlaubt. Das heißt: die körperliche Gesundheit war nicht das Wichtigste. Es ging um gute zwischenmenschliche Beziehungen in Familie, Freundschaften oder Gemeinschaften (Communities). Daraus leitete sich alles Weitere ab.

Die Studie untersucht männliche US-Amerikaner aus verschiedenen sozialen Schichten: Uni-Absolventen und junge arme Männer aus den Slums. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine australische Studie mit knapp 4000 Teilnehmern.

Wichtigster Faktor für ein gesundes und langes Leben

Die Auswertung von 148 Untersuchungen mit mehr als 300.000 Patienten über Risikofaktoren für das Sterben machte klar: am besten können wir vorhersagen, wie lange ein Mensch lebt, wenn wir schauen, wie viel soziale Unterstützung jemand hat und wie stark die Person in die lokale Gemeinschaft eingebunden ist. Dies gilt besonders nach Herzinfakten und Schlaganfällen. Eine hohe Punktzahl in diesen Bereichen erhöhte die Überlebenschancen um bis zu 50 Prozent.

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Oxytocin

Körperliche und seelische Nähe, die sich beispielsweise in intensivem Blickkontakt zeigt, führt zur Ausschüttung von Oxytocin im Gehirn. Oxytocin wurde auch als das „Kuschelhormon“ bezeichnet und reduziert die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Es hemmt jene Teile des Gehirns (Amygdala oder Mandelkern), die Angst auslösen. Oxytocin wirkt blutdrucksenkend, was in Anbetracht der wichtigen Volkskrankheit Bluthochdruck ein wesentlicher Faktor ist.

Wenn man sich einsam und verlassen fühlt, steigt der Cortisolspiegel im Blut; das führt dazu, dass Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen. Das Herz ist beschleunigt und auch Schlafprobleme nehmen zu. Cortisol beeinflusst die Bildung und Verteilung der Leukozyten und besitzt Eigenschaften, die das Immunsystem unterdrücken. Die Psychologin Barbara Fredrickson weist darauf hin, dass es bei einer vermehrten Ausschüttung von Cortisol deshalb zu chronischen Entzündungsreaktionen im Körper kommen kann. Das kann anhalten, auch wenn die akute Krisensituation vorüber ist. So kommt es, dass das anhaltende Gefühl der Einsamkeit das Immunsystem eines Menschen so sehr schwächen kann, dass chronische Entzündungen, Herzkranzgefäßerkrankungen und Arthritis entstehen können.

Die Beziehungen zwischen mehreren Menschen werden auch durch die Ausschüttung dieser Hormone beeinflusst. Oxytocin führt dazu, dass man selber freundlicher und zugewandter mit seiner Mitwelt umgeht: Im Experiment erhielten die Teilnehmer eine Gabe von Oxytocin-Nasenspray. Sie reagierten weniger stark auf Bedrohung und waren mehr auf positive soziale Kontakte eingestimmt. So kann ein Kreislauf entstehen, in dem der Oxytocin-Fluss eines Menschen den eines anderen anregt. Das unterstützt gegenseitiges Engagement, Fürsorge und Empfänglichkeit.

Oxytocin fördert bei Männern Treue und Vorsicht gegenüber Rivalen ihrer Partnerin (im Versuch ging es um heterosexuelle Männer). Es führt dazu, dass Menschen ihre eigene Gruppe besonders mögen undfördert die Bereitschaft, ihre Aktivitäten zu teilen, mitzumachen.

Der Zusammenhang zwischen guten Beziehungen und Gesundheit wird auch durch den Vagusnerv hergestellt. Der Vagusnerv oder Kranialnerv führt aus dem Hirnstamm ins Herz, in die Lunge, in den Darm und andere innere Organe. Seine Aktivität ist wichtig für Ruhe und Entspannung im Körper. Er wirkt auf Verdauung, Blutzuckerwert und Entzündungen im Körper. Er ist mit der Oxytocin-Ausschüttung verbunden.

Vagusnerv

Freundliche Nähe stimuliert die Aktivität des Vagusnerv, aber auch die Wahrnehmung von Leid bei anderen Menschen oder die Erzählung einer interessanten Geschichte. Die Aktivität des Vagusnerves ist also deutlich mit Mitgefühl verbunden. Sie wirkt hin auf ein ein Gefühl der Verbundenheit, auch mit Menschen außerhalb der eigenen Gruppe.

Menschen mit stark ausgeprägter Vagusaktivität erleben im Alltag mehr positive Gefühle, haben mehr Freunde, eine bessere Unterstützung in ihren sozialen Netzwerken.

Zusammenfassung: Die Wirkung von Oxytocin und der Aktivität des Vagusnervs unterstützen das individuelle Erleben von Freundlichkeit und Entspannung. Zwischenmenschlich bewirken sie eine spiegelbildliche Steigerung der Aktivität. Eine positive Wechselwirkung zwischen Menschen entsteht.


Quellenhttps://prod-edx-mktg-edit.edx.org/course/science-… 

Es wird mich zweifellos in Schwierigkeiten mit der Ärzteschaft bringen, aber es ist nicht übertrieben zu sagen, dass du so viel essen kannst wie du willst, so viel Alkohol trinken wie du willst, so viel faulenzen wie du willst, deine Sportübungen nicht machen und in einer so umweltverschmutzten Atmosphäre leben, wie du nur finden kannst, und du wirst den Unterschied kaum bemerken. Aber keine Freunde zu haben oder sich nicht an Gemeinschaftsaktivitäten zu beteiligen, wird sich dramatisch darauf auswirken, wie lange du lebst.

Nur das Aufgeben des Rauchens hat annähernd den gleichen Effekt.

Robin Dunbar

Der wichtigste Faktor für Glück und Gesundheit ist ein gutes, tragfähiges Beziehungsnetz. Es geht dabei nicht nur um die Anzahl der Beziehungen, sondern um die Nähe und das gegenseitige Vertrauen. Denn man kann auch in Gegenwart vieler Menschen oder in bestimmten Beziehungen einsam sein.

3. Zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln sich nicht ohne genügend Zeit und Engagement

Wir sind soziale Tiere – eigentlich. Aber oft handeln wir nicht so. Wir konzentrieren uns auf Dinge, die uns daran hindern, uns wirklich mit anderen zu verbinden. Dann enden wir mit lauwarmen Bekanntschaften, aber keiner Ahnung, wie wir sie vertiefen können.

Tatsächlich spielt die Häufigkeit der Treffen eine große Rolle.

Aristoteles über zwischenmenschliche Beziehungen: Der Wunsch nach Freundschaft entsteht schnell, aber Freundschaft ist eine langsam wachsende Frucht.

Wenn du jemanden kennenlernst, den du superinteressant findest, solltest du dich bald wieder mit ihm treffen. Vergehen mehr als vier Monate nach eurem ersten Treffen, ist es unwahrscheinlich, dass sich jemals eine echte Freundschaft entwickelt.

Laut Barbara Fredrickson ist der Unterschied zwischen einer Liebesbeziehung und einem Resonanzgefühl bei der ersten Begegnung die Häufigkeit. Menschen, mit denen wir oft dieses Verbundenheitsgefühl teilen, sind uns nah.

Was Aristoteles „eine Seele in zwei Körpern“ nannte, lässt sich auf physiologischer Ebene zeigen (Gehirnströme, Herzschlag, Körperhaltung etc.) und entspricht emotional einer momentanen Verbundenheit. Momentan heißt wirklich: es kann gleich vorbei sein. Aber es lässt sich wiederholen.

Und das passiert, wenn Freundschaften entstehen. Je öfter wir es erleben, desto größer die Erwartung, dass es wieder passieren wird. Wenn diese Erwartung immer wieder erfüllt wird, erblüht Freundschaft.

Der große Unterschied zwischen der Entwicklung von Freundschaften im Jugend- und im Erwachsenenalter ist der, dass junge Menschen mehr Zeit mit ihren Freunden verbringen. Sie lernen zusammen, spielen zusammen Videospiele, verbringen ihre Freizeit zusammen. Dadurch haben sie mehr Möglichkeiten, Momente der Verbundenheit zu erleben.

Erwachsene nehmen sich weniger Zeit für ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Deshalb dauert es länger, die 40-60 Stunden gemeinsam zu verbringen, die für die Entwicklung einer lockeren Freundschaft nötig sind.

Du kannst Menschen nicht zwingen, Zeit mit dir zu verbringen, aber du kannst sie einladen
Jeffrey Hall

Welche Ideen hast du, um mehr Zeit mit Menschen zu verbringen, für die du dich interessierst? Ich freue mich, davon in den Kommentaren zu lesen.

Quellen