Aktualisiert am 21. Juli 2021

Zufriedenheit könnte doch so einfach sein! – denke ich manchmal. Wieso braucht es dazu wissenschaftliche Befunde? Jeder weiß doch selbst irgendwie, was ihn oder sie glücklich macht. Und das stimmt ja auch, aber leider nur teilweise.

Unsere Bilder und Vorstellungen von der Welt und wie die Dinge zusammenhängen können sehr stabil sein. Besonders, wenn es um komplexe Sachverhalte geht, in denen erst mittel- bis langfristig Auswirkungen sichtbar werden, bleibt man gerne bei der bisher bewährten Sicht. Das gilt auch für Aussagen über die Ursachen menschlicher Lebensfreude.

Deshalb ist mir der Vergleich meiner Vorstellung von der Wirklichkeit mit dem, was die Wissenschaft dazu sagt, wichtig. Gerade im Zusammenhang mit Glück und gutem Leben gibt es eine unübersehbare Vielzahl von Heilslehren und Propheten. Auch wenn ich immer wieder von neuen Ansätzen und Herangehensweisen begeistert bin – ich habe die Vorteile von kritischen Betrachtungen schätzen gelernt.

Viele Zeitungsartikel und Bücher zum Thema „gutes Leben“ oder „Glück“ empfehlen Vorgehensweisen zur Lebensfreude. Wie erprobt die sind, steht auf einem anderen Blatt. Beispielsweise war in den 1990er Jahren viel vom „Positiven Denken“ die Rede. Die Empfehlung war, häufig zu lächeln und sich selbst gedanklich vorzusagen, dass man seine Ziele erreichen werde oder dass es einem gut gehe. Vielleicht erinnern Sie sich. Die Annahme, das das hilfreich sei, ist inzwischen empirisch widerlegt1. Wenn es keine wissenschaftliche Untersuchung dazu geben würde, wäre der Sachverhalt unklar.

Der Mehrwert von wissenschaftlich überprüften Aussagen

Wissenschaftler überprüfen die Seriosität einer Empfehlung, indem sie beobachten, ob die Anwendung häufiger zu einem gewünschten Ergebnis führt, indem sie eine Plazebo-Situation (Kontrollgruppe) schaffen. Beim „positiven Denken“ kann man überprüfen, ob Menschen, die mehr und stärker positiv denken, glücklicher sind und ihre Ziele eher erreichen, was dann nicht der Fall war. 

Wissenschaftlich geprüfte Aussagen können natürlich trotzdem daneben liegen und tun dies auch immer wieder. Die kritische Analyse von Modellen und Empfehlungen gehört wesentlich zur wissenschaftlichen Erkenntnis dazu. Jede wissenschaftliche Beschreibung ist der Versuch einer Annäherung. Sie unterscheidet sich von persönlichem Erfahrungswissen dadurch, dass sie

  1. aus wissenschaftlichen Modellen abgeleitet werden kann – entweder als Weiterentwicklung oder als Widerlegung
  2. selbst widerlegbar oder falsifizierbar ist – es gibt ein klares Kriterium, ob die Aussage richtig ist oder, bei statistischen Aussagen, inwieweit sie eine gute Vorhersage erlaubt.
  3. an einer hinreichend großen Studie erprobt sein muss, um verallgemeinerbar zu sein. Je weniger Menschen in eine Studie einbezogen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie falsch oder in wesentlichen Teilen unvollständig ist.

Weder isolierte Theorien, Experimente oder Befragungen noch Erfahrungsberichte und Deutungen Einzelner sind für sich genommen ausreichend, um Aussagen über die komplexe Wirklichkeit machen zu können. Die Zusammenschau bringt unser Wissen voran. Jedes Modell und damit jede Empfehlung ist die Abbildung einer Facette der Wirklichkeit.

Anmerkungen:

1Prof. Dr. Gabriele Oettingen, http://www.studgen.uni-mainz.de/2839.php