Geht es dir auch so: Freundlichkeit fehlt uns eigentlich besonders bei den Anderen – oder? Wenn die ein bisschen netter wären, dann wäre ich es auch.

Aber leider leider!!!

Und so auf Knopfdruck kann ich auch nicht. Ein künstliches Cheese-Lächeln will ich nicht. Und jetzt?

Zum Glück bestätigt mich die Wissenschaft in dieser Haltung. Na Gott sei Dank!

Warum Freundlichkeit ohne Herzenswärme nicht hilft

Ich bin mit der christlichen Religion aufgewachsen. Als Kind habe ich mich oft gefragt, wie Gott eigentlich verlangen kann, dass wir ihn lieben. Zuneigung ist doch etwas, das spontan entsteht, entweder da ist oder nicht. Das kann man doch nicht fordern!

Was dabei herauskommt ist Heuchelei, Leute, die „freundlich tun“. Und dass macht mich wirklich misstrauisch. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber bin spontan misstrauisch, wenn alle von Freundlichkeit reden. Wenn empfohlen wird, mehr zu lächeln. Das Ziel kann doch nicht sein, dieses ständige Verkäuferlächeln auf den Lippen zu haben, wenn wir anderen begegnen. So, wie ich noch erzogen wurde: die Nachbarn mit Namen begrüßen und dabei lächeln.

Falsches Lächeln macht uns nicht freundlicher

Denn intuitiv wissen wir alle: solange die Augen nicht mitlächeln, geht es nicht um Zuneigung. Und die kleinen Muskeln um die Augen, die das freundliche Funkeln auslösen, gehören zu den unwillkürlich gesteuerten. Sie können also nicht absichtlich eingesetzt werden.

Solange nur der Mund lächelt, geht es eher um Berechnung, etwas Erreichen wollen. Das spüren wir sehr deutlich, wenn wir es sehen – vorausgesetzt, wir geben dem anderen Menschen genug Aufmerksamkeit. Und dieses Lächeln ist anstrengend.

Der Unterschied zwischen den eigenen Gedanken und Gefühlen und einer Maske der Freundlichkeit drückt die Stimmung. Keine Empfehlung!!!

3 Sichtweisen, die dich mehr Freundlichkeit erleben lassen

1. Wie du Freundlichkeit entdeckst

Dreh- und Angelpunkt von Freundlichkeit ist die Wahrnehmung von dem, was in unserer nächsten Umgebung passiert, wer in unserer Nähe ist und in welcher Situation dieser Mensch gerade ist. Es geht darum, die Lebewesen in unserer Mitwelt wirklich zu sehen. Was mir nicht immer leichtfällt. Bin ich doch öfters in meine Gedanken versunken oder höre ein Podcast zu einem Thema, das mich interessiert. Dann haben andere Menschen die Qualität von Zaunpfählen, um die ich herumgehe, die mich aber weiter nicht interessieren.

Was ich dabei verpasse, ist die Chance, Positives wahrzunehmen, dass sich nicht in meinen Gedanken abspielt. Unsere Fähigkeit zur Wahrnehmung ist äußerst beschränkt. Und je nachdem, worauf ich achte, kann ich dort mehr oder weniger entdecken. Unser Gehirn ist so programmiert, dass ich Negatives leichter wahrnehme. Deshalb kommt es sehr stark auf meine Einstellung an. Wenn ich damit rechne, Positives zu erleben, kann ich die kleinen, netten Begegnungen im Alltag würdigen und mich daran erfreuen. Ich fühle mich dann weniger allein.

Wenn ich meine Mitwelt ausblende, nur bei mir und meinen Gedanken bin, werde ich das gar nicht bemerken.

2. Wie deine Neugier zur Charakterstärke wird

In gewissem Sinn ist Neugier ein positiver Wesenszug. Wenn wir sie nämlich als respektvolles Interesse sehen, ist sie ein Teil der Stärken, die seit Jahrtausenden von Menschen geschätzt werden. Nur wenn wir uns für andere interessieren, für ihren Blick auf die Welt und ihre Erlebnisse, werden wir in positive Verbindung kommen.

Menschen merken sehr schnell, wenn zur Schau getragener Zuwendung in Wirklichkeit Gleichgültigkeit zugrunde liegt.

Interesse an seiner Mitwelt haben oder an Bereichen daraus hilft uns selbst, immer wieder Spannendes zu entdecken. Dann wird der Alltag nicht zum ewigen Einerlei, denn er hält immer wieder Überraschungen bereit.

Aber klar, jeder Kriminalbeamte im Verhör hat ein deutliches Interesse seines Gegenübers. Neugier allein reicht nicht.

3. Wie deine Einstellung dein Erleben beeinflusst

Im Unterschied zum Polizeiverhör sollte die Konzentration auf das Gute im Mittelpunkt stehen. Ja, du hast richtig gelesen: es geht darum bewusst wahrzunehmen, was an dem gut ist, was andere tun.

Klar, man kann sagen: das meiste ist selbstverständlich. Dass Leute sich untereinander freundlich zuwenden, dass ein Mann ein Kind auf dem Arm trägt, mit ihm freundlich spricht und das Kind hört zu, wenn Menschen dafür sorgen, dass die Straße weniger vermüllt ist – klar, das sollte so sein.

Aber wie schön ist es doch, wenn es tatsächlich so ist. Das Glas Wasser ist halb voll!

Allein der Versuch, das Positive an anderen zu sehen und vielleicht sogar ihnen gegenüber auszusprechen, lässt eine förderliche Sicht auf unsere Mitwelt entstehen. Eine kleine Verbindung entsteht. Und sie kann richtig tragend werden. Denn auch glückliche Paaren zeichnen sich dadurch aus, dass sie verborgene Tugenden an ihrem Partner wahrnehmen, die seine Schwächen begleiten.

Wie Verbundenheit entsteht

Jedes Zusammentreffen mit anderen Menschen ist eine Gelegenheit, um eine positive Verbindung herzustellen. Grundlage ist gegenseitige Wertschätzung.

Mikromomente

Die Herausforderung besteht darin, so oft wie möglich anderen auf dieser Basis zu begegnen. Was dann entsteht, sind kurze Augenblicke der Nähe. Barbara Fredrickson nennt sie „Mikromomente der Wärme und Verbundenheit“. Sie wirken körperlich und seelisch aufbauend und – sie sind schnell vorbei. Und sie sind „nahezu identisch, egal, ob sie sich zwischen dir und einem Fremden oder zwischen dir und und deinem lebenslangen besten Freund. Der eindeutigste Unterschied … besteht einfach nur in der Häufigkeit.“

Barbara Fredrickson hat über viele Jahre dieses Thema in der Tiefe erforscht. Ihre Empfehlungen sind:

4 Ansatzpunkte für die Entstehung von Verbundenheit

  • Respektvolle Verbindlichkeit: Wichtig ist, dass du dich auf dein Gegenüber einlässt. Dass du nicht mit deine Gedanken woanders bist, sondern aufmerksam für das, was die Person dir mitteilt, sprachlich und durch ihren Körper. Und greife Äußerungen positiv auf. Verbindung schaffen wir durch gemeinsame Sichtweisen. Deine Zustimmung verdeutlicht das.
  • Unterstützung: Wenn du etwas tun kannst, was hilfreich ist, tue es.
  • Vertrauen: Begegne anderen, auch fremden Menschen mit der positiven Erwartungen. Die nachweislich erfolgreichste Strategie geht erst mal davon aus, dass andere Menschen kooperieren. Wenn sie das dann nicht tun, ist es angebracht, vorsichtiger zu sein. Das Risiko, dass du dabei eingehst, ist im Alltag ja eher klein.
  • Spielen: Vielleicht beginnst du damit, amüsierte Blicke mit anderen zu tauschen, wenn ihr etwas Lustiges beobachtet. Nimm dir Zeit, um mit dem anderen fröhlich zu sein, Spaß zu haben, ohne ein bestimmtes Ergebnis zu verfolgen.

Virale Freundlichkeit

Es könnte ganz einfach sein: denn es ist wissenschaftlich belegt, dass Freundlichkeit ansteckender ist als COVID 19.

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Wenn Menschen beobachten, dass jemand freundlich ist oder selbst Freundlichkeit erfahren, sind sie deutlich freundlicher zu anderen als wenn das nicht der Fall ist.

Wenn wir uns kooperativ verhalten oder anderen uneigennützig etwas geben, springen die Belohnungszentren im Gehirn an. Wir fühlen uns gut. Wenn wir das öfters machen, sind wir nachgewiesenermaßen glücklicher mit unserem Leben.

Es hat deutliche Vorteile, Vertrauen zu haben

Und wir wissen, wie positiv es auf uns wirkt, wenn wir uns nicht als isolierte Einzelwesen in einer gefährlichen Umwelt wahrnehmen:

  • Das Vertrauen, dass Menschen in einer bestimmten Kultur zueinander haben, hat einen deutlichen Zusammenhang auf die Sterblichkeitsrate für jede Todesursache, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Kindersterblichkeit.
  • Bei 15% mehr Vertrauen steigt das ökonomische Einkommen um 430$ pro Jahr.

Auch Fairness ist für viele Menschen ein prägender Wert. Sie möchten zwar etwas für sich behalten, aber andere eher nicht ausnutzen.

Es gibt also gute Gründe, seiner Mitwelt aus einer Haltung der Freundlichkeit zu begegnen.

3 Faktoren, warum viele Menschen ihre Mitwelt immer negativer sehen

Viele Menschen glauben aber, dass ihre Umwelt „immer unfreundlicher werde“. Woher kommt das?

  1. „Die Verschiebung von Groß- zu Kernfamiliennetzwerken hatte sich in den Industrieländern parallel zur Verschiebung hin zu Geschwindigkeit, Effizienz und Wettbewerb als vorherrschenden Fortschrittsbedingungen vollzogen.“(Vivek H. Murthy)
  2. Fakt ist: unter Zeitdruck sind Menschen weniger freundlich und hilfsbereit. Wir glauben an die Priorität von Leistung. Mein Vater sagte immer:“Leistung ist Arbeit x Zeit“ Mit anderen Worten: wenn du in dieser Gesellschaft Anerkennung willst, mach schneller. Da muss man sich eben vor allem auf seine Arbeitsziele konzentrieren.
  3. In unserer Kultur ist das Individuum mit seinen Bedürfnissen immer wichtiger geworden. Im Unterschied zu früher steht die „Gemeinschaft“ weniger im Mittelpunkt. Das hat auch gute Gründe, denn traditionelle Gemeinschaften können uns durch ihre festgelegten Erwartungen sehr beschränken.

Der Traum des Zusammenlebens in Freundlichkeit

Eine Möglichkeit, unsere Einzigartigkeit zu bekräftigen und gleichzeitig ein Zugehörigkeitsgefühl zu fördern, besteht darin, eine Kultur der Freundlichkeit zu pflegen. Wie würde es sich anfühlen, wenn wir in das erleben würden?

Mache Freundlichkeit ansteckend

Unterschiede und Fehlbarkeit der Menschen würden akzeptiert werden. Gemeinschaft und menschliche Erfahrung der Verbundenheit wertgeschätzt. Berufliche Leistung wäre nicht mehr die wesentliche Messlatte, die an Menschen angelegt wird. Es gäbe Strukturen und Möglichkeiten, sich mit anderen zu verbinden, wenn man für ein Anliegen interessierte andere Menschen braucht. Und wenn man für sich sein möchte, wäre das auch in Ordnung. Du kannst dir Freundlichkeit wie ein verbindendes Gewebe vorstellen, der eine Stadt oder ein Land zusammenbringt.

Stell dir vor, wie die Freundlichkeit aus einer Begegnung von den Beteiligten in die nächste Begnung weitergetragen wird und viral geht. Schön, nicht wahr?

Ich will, dass die zahlt – eine wahre Geschichte aus Frankfurt

Frankfurt ist ja eher diese Stadt mit viel Kriminalität und Kälte zwischen den Menschen. Oder?

Frankfurt Bockenheim im November 2020. Eine 80jährige Dame ist nach einer langen Einkaufstour auf dem Weg nach Hause. Sie wird von einem Polizisten-Pärchen gestoppt. Sie erfährt: Maskenpflicht gibt es inzwischen auch auf der Straße. Und die Polizisten wollen 50 € Bußgeld, weil sie keine Maske trägt. Jaja, Unwissenheit schützt nicht vor Strafe und die Corona-Vorschriften ändern sich gerade ziemlich schnell.

Was dann passiert beschreibt Marie-Ann Evenkamp, die Dame aus der Geschichte, so:

Freundlichkeit durch Maskentragen
„Oh nein, bitte, bitte nicht“, sage ich. Während ich noch um „Gnade“ bitte, meine Situation schildere und 100%ige Besserung gelobe, höre ich hinter mir die energische Stimme eines Mannes, wohl aus südländischem Sprachraum: „Isch willlll, dass die zahlt!“ Jetzt droht mir wohl auch noch eine Auseinandersetzung um Gerechtigkeit. Einer alten Frau soll die Strafe bloß nicht erlassen werden, denke ich frustriert.
Da schiebt sich ein junger Mann von links heran, wiederholt unwirsch seine Forderung – und hält mir einen 20€-Schein hin: „Isch will, dass die zahlt!“ Keiner von uns – weder die Polizisten noch ich – ist vor lauter Überraschung zu irgendeiner Reaktion fähig. Der junge Mann denkt offenbar, dass die Summe nicht reicht. Er fordert seinen Begleiter auf: „Gib mal Fünfziger!“ Und prompt wird mir ein 50€-Schein gereicht, um meine Schulden beim Staat zu bezahlen.
Ich bin überwältigt! „Sooooo nette Menschen gibt es?“, rufe ich (und bin gleichzeitig beschämt wegen meiner ursprünglichen Vermutung). Die beiden Polizisten denken wohl ähnlich; sie nehmen nur meine Personalien auf und kein Geld an.Marie-Ann Evenkamp

2 Stellschrauben für mehr Freundlichkeit

Wie können wir Raum für mehr Freundlichkeit schaffen? (i)

Dankbarkeit

Wichtig ist die Erkenntnis, dass es keiner von uns in der Lage ist, völlig aus eigener Kraft sein Leben zu führen. Wir brauchen die Unterstützung von anderen. Viele Dinge bereichern unser Leben, die uns einfach mitgegeben wurden, ohne dass wir dafür etwas getan haben. Und das macht dankbar!

Für mich ist das die Freude in einer wertschätzenden Familie leben zu dürfen. Sicher, ich habe etwas dazu beigetragen. Aber, wie wir alle wissen: das alleine reicht nicht.

Ich bin dankbar dafür in einem Land zu leben, in dem es während meiner Lebenszeit keinen Krieg gab und keine Hungerkatastrophen.

Ich bin dankbar für meine Rente, von der ich leben kann, ohne ständig auf den Euro schauen zu müssen. Und für meine Gesundheit.

Dankbarkeit hat zwei Komponenten. Die eine ist die Bestätigung, dass es gute Dinge in der Welt gibt, Dinge, von denen wir profitiert haben. Zweitens ist eine Anerkennung dessen, woher diese Güte kommt – der Menschen und Dinge in unserem Leben, die sich zusammen getan haben, um sie uns zu schenken.
Robert Emmons

Tatsächlich stärkt Dankbarkeit Beziehungen. Wir schauen mehr auf Gutes und konzentrieren uns weniger auf Unangenehmes im Zusammensein mit anderen. „In einer Zeit, in der die Gesellschaft mehr nach dem Motto „ich ich ich ich“ zu leben scheint, müssen wir die Menschen wirklich dazu bringen, über Verbindungen nachzudenken.“ (Jonathan Tudge)

Dankbarkeitsgefühle verdeutlichen, wer sich auf eine positive Weise für uns interessiert. Sie helfen uns, alltägliche Freundlichkeit nicht für selbstverständlich zu halten und damit abzuwerten. Sie lösen Freundlichkeit in uns aus.

Vom Zauber kleiner Überraschungen

Wenn du dich gerne gutfühlen möchtest, versuche mal Folgendes:

Tue an einem Tag mehrere fünfmal etwas Freundliches in deiner Mitwelt. Es spielt keine Rolle, ob es etwas Großes oder etwas Kleines ist, aber es ist für dich wirkungsvoller, wenn du mehrere uneigennützige Freudlichkeiten initiierst.

Es muss sich dabei nicht um dieselbe Person drehen – die Person muss sich ihrer nicht einmal bewusst sein. Zum Beispiel kannst du die Parkuhr eines Fremden füttern, Blut spenden, einem Freund bei einer Arbeit helfen oder einer Person in Not eine Mahlzeit geben.

Jedesmal solltest du in mindestens ein oder zwei Sätzen aufschreiben, was du getan hast; für mehr Zufriedenheit solltest du auch aufschreiben, wie du dich dabei gefühlt hast.

Das Ganze hat zwei Vorteile es führt dazu, dass du dich besser fühlst, und es bringt mehr Freundlichkeit in die Welt.


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Wenn du eine Frage hast: schreib mir bitte eine Nachricht.

Anmerkung

Selbstverständlich spielen soziale Einflüsse wie Armut, dauerhafte Einschränkungen durch Krankheiten und Bildung eine große Rolle. Nur darauf können wir nicht als Einzelpersonen direkt und konkret Einfluß nehmen. Es ist aber aus meiner Sicht wichtig, das im Auge zu behalten und in diesem Sinne aktiv zu sein.

Quellen:

Cacioppo, John T.. Die Einsamkeit: Die menschliche Natur und das Bedürfnis nach sozialer Bindung . W. W. Norton & Company. Kindle-Version.

Fredrickson, Barbara L.: Die Macht der Liebe

Fredrickson, Barbara L.: Die Macht der positiven Gefühle

Dacher Keltner: Born to Be Good

Vivek H. Murthy: Together

Kira Newman: How Cultural Differences Shape Gratitude and Its Impact In: The Gratitude Project (S.74). New Harbinger Publications. Kindle-Version.

Eric Pedersen and Debra Liebermann: How Gratitude Builds Cooperation In: The Gratitude Project (S.82). New Harbinger Publications. Kindle-Version.