Aktualisiert am 11. September 2021

Wenn wir ganz authentisch sein und uns dabei sicher fühlen wollen, brauchen wir gute Freunde. Freundschaft kann sich auf bestimmte Lebensbereiche wie Sport oder Gärtnern beschränken. Oder sie kann viel mehr einschließen. Freunde sind Menschen, die sich schätzen, aneinander Interesse haben und sich gegenseitig helfen. Es können mehrere Leute oder zwei Menschen beteiligt sein.

Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten.

Marie von Ebner-Eschenbach

Freundschaft gibt uns ein Gefühl der Zugehörigkeit und der Anerkennung in dem, was wir sind. Für eine wachsende Anzahl von Leuten, die als Singles leben, sind Freunde oft die wichtigsten Beziehungen, die emotionale Unterstützung und praktische Hilfe anbieten. Sie können uns näher stehen oder etwas weiter entfernt sein. Wir haben maximal fünf “beste Freunde” und möglicherweise 15 nahestehende Freunde, das heißt solche, deren wichtige Lebensereignisse und interessieren und uns nahe gehen. Alle anderen sind “Bekannte”, mit denen uns wenig verbindet.

Freundschaften werden gestärkt, wenn sich die Freunde gegenseitig unterstützen und ermutigen. Je mehr wir uns in unsere Freunde hineinversetzen können und ihr Wohlbefinden uns wichtig ist, um so besser ist die Freundschaft.

Wir fordern gewöhnlich weniger von Freunden als von Verwandten oder Liebespartnern, was das Leben mit ihnen einfacher macht. Oft hat jeder Freund eine spezielle Charaktereigenschaft, die uns anzieht. So ist z.B. eine Person unser Vertrauter, eine andere bringt uns zum Lachen und eine dritte ist ein guter Ansprechpartner für politische Diskussionen. Wir bestehen nicht darauf, dass sie alle unsere Bedürfnisse erfüllen; daher sind wir weniger enttäuscht, wenn bei einem Freund irgendetwas nicht zu uns passt, als wenn ein Liebespartner oder Elternteil uns nicht zufriedenstellt.

Blockaden für neue Bekanntschaften

Wenn wir eine neue Bekanntschaft machen, ordnen wir in den ersten Sekunden unser Gegenüber in eine gesellschaftlich über oder unter uns stehende Gruppe ein. Das ist eine ganz normale Reaktion, die „automatisch“ entsteht. Indem wir die Person einer Gruppe zuordnen, schränken wir die Wahrnehmung des anderen ein. Wir gehen unbewusst davon aus, dass unsere neue Bekanntschaft genauso ist und reagiert, wie andere Personen, die wir dieser Kategorie zugeordnet haben.  und damit auch die Kontaktmöglichkeiten. Auch Freundschaften können diese dunkle Seite haben: wenn unser Selbstbewußtsein angekratzt wird, weil wir neidisch auf den Erfolg eines Freundes sind oder wenn das eigene Selbstwertgefühl zu sehr von Freunden abhängt.

Sozialer Vergleich mit anderen macht uns nachgewiesenermaßen unglücklicher als die weitere Perspektive der freundlichen Beobachtung.

Achten Sie auch darauf, welche Gefühle in Ihnen auftauchen, wenn Sie anderen mit dieser Haltung begegnen. Tun Sie es einfach bei jeder Begegnung mit anderen Menschen – und beobachten Sie, wie Ihre Stimmung davon beeinflußt wird.

Wie Freundschaften wachsen

Bekanntschaften können sich zu Freundschaften entwickeln, wenn die Beteiligten Interesse an weiteren Treffen haben, z.B. zum Sport oder zum Kino- oder Theaterbesuch. Wenn Menschen in den drei Monaten nach ihrem ersten Treffen insgesamt mehr als 60 Stunden (also etwa 1 1/2 Stunden pro Woche) miteinander verbracht haben, ist die Chance gut, dass daraus Freundschaften entstehen.

Damit mehr Nähe in diesen Freundschaften entstehen kann, müssen sich Menschen gegenseitig in passender Weise Zuneigung und Wertschätzung zeigen. Dann kann “der Tanz der Enthüllungen” beginnen, in dem wir uns wechselseitig kleine persönliche Geschichten erzählen, die wir nicht so einfach in der Öffentlichkeit herumposaunen würden. Wenn wir z.B. jemandem eine traurige Geschichte erzählt haben oder eine kontroverse Meinung, die uns wichtig ist, und er hat positiv darauf reagiert, dann fühlen wir uns von dem Zuhörer stärker angezogen.

Die Tatsache, dass wir etwas Persönliches enthüllen, signalisiert ein Interesse an der Vertiefung der Beziehung. Die speziellen Inhalte helfen uns zu entscheiden, ob wir mehr hören und uns der Person mehr nähern wollen oder nicht. Wie so oft im Alltag ist es das beste, ein mittleres Level einzuhalten, wenn wir uns jemandem öffnen, den wir gerade kennenlernen. Über Kindheitstraumata zu sprechen ist zu intim, ein aktuell erlebtes Ereignis ist eher passend für den Tanz der Enthüllungen.

Genauso gilt andersherum: Wenn das Gespräch im Wesentlichen auf dem Niveau von Small Talk bleibt, führt das zu geringerer Nähe in der Freundschaftsbeziehung. Auch enge Freundschaften verlieren dadurch an Bindungskraft.

Gegenseitige Unterstützung – Merkmal von Freundschaften

Auf dem Weg von der Bekanntschaft zur Freundschaft bewegen wir uns von vorsichtigem Engagement, aufmerksam für eine Balance der Aufwendungen, hin zu geteiltem Vertrauen und Unterstützung ohne vergangene Unterstützungsleistungen gegeneinander aufzurechnen.

Beste Freunde müssen nicht ähnliche Persönlichkeiten haben. Die Grundlage ihrer Beziehung ist gegenseitige Unterstützung in dem, worum es jedem von ihnen individuell im Leben geht.

Und wenn man wissen möchte, wie man selbst auf den Freund wirkt, ist es nicht hilfreich, direkt danach zu fragen, sagt Simine Vazire. Stattdessen sollte man etwas über sich selbst sagen und schauen, wie der Freund reagiert.

Nach Meliksah Demir macht uns in Freundschaften am meisten glücklich, wenn wir etwas zusammen tun. Sie geben uns das Gefühl, dass wir etwas wert sind.

Gute Gefühle sind außerdem wirklich ansteckend: es ist um 15 Prozent wahrscheinlicher, dass wir glücklich sind, wenn einer unserer Freund in seinem Leben glücklich ist. Selbst wenn ein Freund eines Freundes glücklich ist, steigt die Chance, das wir zufrieden sind, um 10 Prozent.

Grundlage für die Entwicklung von Freundschaft ist also ein Vertrauensvorschuss, auf dem gegenseitiges Interesse wachsen kann. Damit ist nicht absolute Blauäugigkeit gemeint, die eher das Gegenteil von Offenheit für den anderen ist, sondern eine wertschätzende, respektvolle Grundhaltung.

Wenn wir unsere Fähigkeit, andere wahrzunehmen, weiterentwickeln und kultivieren, sie wirklich mit ganzem Herzen zu sehen lernen, werden unsere Beziehungen wachsen und gedeihen. Wir tun dies, indem wir

  1. uns respektvoll auf die andere Person einlassen, präsent und aufmerksam sind
  2. unsere Beziehungspartner soweit unterstützen, wie es für uns passend ist
  3. Vertrauen entgegenbringen, indem wir daran glauben, uns auf die andere Person verlassen zu können und aus den Erfahrungen lernen
  4. miteinander spielen und Spaß haben.

Wenn das Thema „Freunde finden“ für dich interessant ist

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  • zum bessere Verständnis, was für dich wichtig ist, um dich nicht mehr allein zu fühlen und gute Erfahrungen mit anderen zu machen
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Quellen

Carlin Flora, Friendfluence: The Hidden Ways in Which Friendships Make Us Who We Are

Jeffrey A. Hall: How many hours does it take to make a friend? In: Journal of Social and Personal Relationships 2019, Vol.:36(4), DOI: 10.1177/0265407518761225