Kettenkarussel

Wie Gedanken und Gefühle sich gegenseitig beeinflussen und was du darüber wissen solltest

Aktualisiert am 24. Oktober 2023

Ich hatte lange die Vorstellung, Gefühle seien wie Wasserdampf: kraftvoll und gefährlich, wenn sie zu lange unter Druck gehalten werden. Deshalb wäre es gut, Gefühle ausleben oder sie zu „verarbeiten“. Ganz schlecht wäre es Gefühle zu „verdrängen“. Deshalb schlugen manche Leute auf Kissen, um Aggressionen „herauszulassen“.

Was sind Gefühle?

Inzwischen sehen viele einflussreiche Wissenschaftler und Autoren Gefühle nicht mehr als eine Energie, die abfließen muss, damit ein „Gefühlsstau“ mit schädlichen Auswirkungen vermieden wird. Gefühle werden heute als Grundlage unserer Bewertungen, unserer Orientierung im Alltag, unserer Intuition, verstanden.

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Wie entstehen Gefühle

Unsere Gedanken und unsere persönlichen Einstellungen können Gefühle anfeuern. Manchmal geht das in die falsche Richtung, z.B. wenn wir uns in depressiven Grübelschleifen verfangen und es uns immer schlechter geht. Immer haben Gefühl und Denken viel miteinander zu tun.

Das heutige Verständnis von Gefühlen

Die im Abendland verbreitete traditionelle Ansicht, dass Gefühle etwas Untergeordnetes und Nachrangiges seien, während das Denken wertvoll sei, lässt sich so nicht mehr halten. Gedanken sind durch Gefühle geprägt und Gefühle durch unsere Gedanken. Wir brauchen beides.

Aus evolutionärer Sicht dienen Gefühle dem Aufrechterhalten von Homöostase, einem inneren Gleichgewicht von der einzelnen Körperzelle bis zum Gesamtorganismus. Wir nennen das bei Menschen Wohlbefinden, Harmonie oder Zufriedenheit oder auch einfach „gute Gefühle“.

Wir fühlen, weil wir einen ausbalancierten Körperhaushalt brauchen, um gut und möglichst gesund zu überleben. Wir haben Gefühle als Orientierungshilfe und nicht, um das Leben zu genießen. Dazu brauchen wir angenehme und unangenehme Gefühle. Sie signalisieren unsere körperlichen und psychischen Bedürfnisse.

Gefühle sind Wahrnehmungs muster, die den inneren Zustand des Organismus abbilden

Vergleichbare Sichtweisen gibt es im Zusammenhang mit Meditation, Buddhismus, in der kognitiven Verhaltenstherapie und in der Allgemeinen und in der positiven Psychologie. Die Vermeidungshaltung gegenüber unangenehmen Gefühlen ist besonders in unserer westlichen Kultur verankert. Asiatinnen und Asiaten haben eine höhere Toleranz gegenüber unangenehme emotionalen Erfahrungen.

Aufgrund von tiefem Erfahrungswissen empfehlen diese unterschiedlichen Traditionen mit unterschiedlichen Vorgehensweisen
– die eigenen Gefühle und Impulse wahrzunehmen ohne gegen sie anzukämpfen und
– sie aus einer gewissen Distanz zu sehen, sich nicht mit ihnen zu identifizieren.

Gefühle als Hilfsmittel zur Entscheidung

Damit wird erreicht, dass wir die vom Gefühl ausgedrückten Hinweise ernst nehmen und uns gleichzeitig unser Verhalten nicht von ihm diktieren lassen. „Gefühle gehören zu den machtvollsten und effektivsten Instrumenten, die wir haben, um gute Entscheidungen zu treffen“ sagt Prof. David DeSteno. Sie „existieren aus einem Grund: um zu beeinflussen, was als nächstes passiert. Sie sind vergleichbar mit geistigen Abkürzungen. Sie helfen dem Gehirn vorherzusagen womit es gleich umzugehen hat und sich daran anzupassen. Emotionen können unseren Körper beeinflussen, indem sie unseren Herzschlag oder unseren Atemrhythmus beeinflussen um uns auf Aggression, Flucht oder Wettbewerb vorzubereiten. Sie können unsere Aufmerksamkeit und Wahrnehmung von Dingen um uns herum verändern , sodass wir uns besser auf das konzentrieren können, was wichtig ist. … Emotionen können unsere Entscheidungen beeinflussen indem sie unsere mentalen Berechnungen ‚optimieren‘ “ (David DeSteno , Psychologieprofessor und Chefredakteur der Zeitschrift „Emotion“). Sie sind die Grundlage unserer Werte und unserer Weltsicht.

Das Soziale und das Physische sind durch unserer Körper und unser Gehirn eng verbunden. Deshalb ist es empfehlenswert, die eigenen Gefühle nicht im Hinblick auf die Mitwelt für „wahr“ zu halten, sondern als Ausdruck unserer subjektiven Annahmen. Wann immer möglich, können wir ihre Interpretation des Erlebten im Austausch mit unserer Mitwelt überprüfen.

Umgang mit Gefühlen

Weil Gefühle eng mit Gedanken verbunden sind, ist es empfehlenswert

  • achtsam mit seinen Gefühlen umzugehen: sie wahrnehmen ohne uns in ihnen zu verlieren
  • seinen Wortschatz zur Bezeichnung von Gefühlen zu verfeinern und Gefühle beschreiben: das erleichtert die Wahrnehmung
  • positive Gefühle bewusst zu kultivieren, um im Alltag einen größeren Anteil an schönen Erlebnissen zu haben
  • alle Gefühle als Ausdruck unserer körperlichen Bedürfnisse wertzuschätzen
  • zu verstehn, dass Gefühle entstehen und bleiben, solange ich ihren Auslöser in meinen Gedanken halte
  • Gefühle anderer Menschen ebenso als Ausdruck ihrer Bedürfnisse wahrzunehmen

All das ist auch hilfreich für gute Beziehungen.

Das Wesentliche ist die Bereitschaft unangenehme und angenehme Gefühle zu erleben, ohne an ihnen festzuhalten, damit wir unser Leben ganzheitlich leben können.
Wenn du versuchst, angenehme Gefühle festzuhalten,
wirst du Angst entwickeln, sie zu verlieren, und das macht keinen Freude.
Wenn du dich von dem Schmerz entfernst, der dir unweigerlich begegnet, wenn du dem nachgehst, was du am meisten schätzt, entfernst du dich auch von dem Reichtum des Lebens, den dir die diese wertvollen Handlungen bringen.

Steven hayes, 2022

Quellen


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