Aktualisiert am 13. Dezember 2023

Hast du je darüber nachgedacht, wie es möglich ist, dass Menschen gemeinsam für ihre Lebensgrundlagen sorgen können? Was den Unterschied im Gelingen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gruppen ausmacht? Und damit eine Basis für eine auf eine gute nachhaltige Zukunft sein könnte?

Elinor Ostrom hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie Gruppen Gemeinschaftseigentum in der Praxis langfristig erfolgreich verwalten können. Dabei ging es um gemeinschaftlich genutzte Ressourcen wie Wasser, Wälder und Fischbestände. 2009 erhielt sie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für ihre Forschungsergebnisse.

Ihre Ergebnisse lassen sich für alle Gemeinschaften und Gruppen anwenden, die etwas erreichen oder sicherstellen wollen. (2) Aus meiner Sicht sind sie sensationell, denn sie belegen Zusammenhänge, die wir zwar erahnen konnten, aber von denen zumindest ich mir nie sicher war, ob sie zutreffen.

8 Gestaltungsprinzipien, die die Gemeinschaft stärken

Vertrauen und Zusammenarbeit bringen uns als Einzelpersonen und Gruppen voran. Warum das so ist, habe ich in meinem Artikel Ein gutes Miteinander – warum es für uns überlebenswichtig ist beschrieben.

Elinor Ostrom hat 8 Gestaltungsprinzipien erfolgreicher Gruppen aus ihren umfangreichen globalen Studien abgeleitet. Sie sorgen dafür, dass Gruppen dauerhaft gut kooperieren können – ohne dass sich einzelne auf Kosten der anderen bereichern.

Damit die Zusammenarbeit gelingt, ist es ganz zentral, dass alle eine gemeinsame Vorstellung von dem haben

  • warum es die Gruppe gibt,
  • was den Mitgliedern wichtig ist und
  • welche gemeinsamen Ziele sie haben.

Indem sie sich gegenseitig dabei unterstützen, das zu verwirklichen, erwächst daraus Vertrauen, emotionale Nähe, ein Gemeinschaftsgefühl. Hier habe ich genauer beschrieben, was außerdem nötig wäre, um das Vertrauen und damit den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.

Menschen unterschätzen häufig die Spannweite der unterschiedlichen Bedeutungen, die die Gruppe und ihre Ziele für unterschiedliche Miglieder haben kann. Wenn wir nicht miteinander darüber sprechen, kann dies zu Missverständnissen und letztendlich zu großer Unzufriedenheit in der Gruppe führen.

Es ist wichtig, dass die individuellen Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten auf den Tisch komen und in die Zusammenarbeit einbezogen werden, damit sich alle langfristig wohlfühlen. Denn niemand engagiert sich länger freiwillig für eine Gruppe oder Interessengemeinschaft, die nicht zu den eigenen Bedürfnissen passt.

Wenn Menschen (und höhere Affen) den Eindruck haben, dass sie ungerecht behandelt werden, werden sie ärgerlich. Deshalb ist es wichtig, dass es in der Gruppe ein gemeinsam akzeptiertes Verhältnis gibt von dem, was angemessen ist. Was tun Mitglieder für die Gruppe und was bekommen sie dafür? Die Belastungen und Vorteile aus der Mitgliedschaft sollten nach als fair empfundenen Kriterien verteilt sein. „Fair“ heißt nicht unbedingt, dass alle genauso viel beitragen müssen. Denn die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen, für die gemeinsamen Ziele aktiv zu werden, sind oft unterschiedlich.

Es braucht Rollenklarheit und Transparenz in der Gruppe, damit keine falschen Erwartungen entstehen. Damit die Mitglieder ihre persönlichen Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten ansprechen können und wahrgenommene Ungerechtigkeiten thematisiert werden können, sind neben den ergebnisorientierten Themen auch Zeiträume dafür notwendig.

Zugehörigkeit zu einer Gruppe bedeutet auch, in die Entscheidungsfindung einbezogen zu sein. Alle, die von einer Entscheidung betroffen sind, sollten dabei sein und die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen und Wünsche einzubringen.
Für gute Entscheidungsfindungen ist es wichtig, dass die Beteiligten klären

  1. wer relevante Entscheidungen, Fragen, Herausforderungen oder Probleme definiert
  2. wer einen Beitrag zur Lösung leisten kann.
  3. wer die endgültige Entscheidung trifft.

Das ist in sehr kleinen Gruppen einfacher, aber auch nicht unbedingt konfliktfrei. In größeren Gruppen sind abgestimmte Spielregeln hilfreich. Die Gemeinschaft zu stärken durch eine

Persönliche Selbstbestimmung ist mit Fürsorge für die Bedürfnisse der Gemeinschaft verbunden. Wenn die Gruppenmitglieder wissen, was die anderen in der Gruppe tun, kann die Gruppe ihre Aktivitäten angemessen koordinieren und damit die Gemeinschaft stärken. Dabei geht es um unterstützende gegenseitige Begleitung bei der Umsetzung, nicht um Druck zum Mitmachen.

Das entspricht auch unserem Bedürfnis nach emotionaler Nähe. Denn wenn wir das, was andere tun nicht wahrnehmen, kann keine Resonanz zwischen uns entstehen.

Es macht Sinn, zu überlegen, was für eine Gruppe hilfreich ist, um mitzubekommen, was die anderen tun. Treffen sich die Mitglieder oft genug, um sich zu erzählen, was läuft? Braucht es eine schriftliche Übersicht? Erfolgreiche Gruppen haben Prozesse, die eine Transparenz schaffen, die von allen als Unterstützung erlebt wird.

Positive Reaktionen auf kooperatives Verhalten anderer stärkt die Gemeinschaft und unterstützt die Zusammenarbeit. Das kommt leicht zu kurz und sollte deshalb bewusst gepflegt werden. Wie reagieren die anderen, wenn sich jemand sehr hilfreich und kooperativ verhält? Wordurch unterstützen sie das? Und wie gehen sie damit um, wenn sich jemand so verhält, dass es nicht hilfreich oder störend ist?

In erfolgreichen Gruppen gibt es Feedback und typische Verhaltensmuster als Reaktion auf hilfreiche und nicht hilfreiche Verhaltensweisen.

Konflikte sind unvermeidlich, weil es authentische Unterschiede gibt innerhalb einer Gruppe und zwischen der eigenen und anderen Gruppen. Wenn sie zu lange ignoriert oder hinausgezögert werden, kann das die Situation verschlimmern. Um gemeinsam Erfolg zu haben, müssen die Gruppenmitglieder in der Lage sein, über schwierige Dinge zu sprechen, und zwar immer dann, wenn es nötig ist. Damit das klappt, braucht es

  • die Fähigkeit gut zuzuhören und selbstbewusst, aber nicht aggressiv zu sprechen
  • die Fähigkeit, andere Perspektiven zu übernehmen
  • Prozesse zur Konfliktbewältigung auf Gruppenebene

In Gruppen ist es wichtig, zwischen gesunden und ungesunden Konflikten zu unterscheiden. Gesunde Konflikte drehen sich typischerweise um Aufgaben und beinhalten legitime Meinungsverschiedenheiten, Werte, Perspektiven oder Erwartungen. Im Gegensatz dazu geht es bei ungesunden Konflikten eher um die Beurteilung von Personen. Oft geht es dabei um Menschen, die um knappe Ressourcen oder Macht konkurrieren, um Konflikte zwischen individuellen und kollektiven Zielen und um schlechte Kommunikationsmuster.

Eine Gemeinschaft braucht die Möglichkeit, ihre eigenen Angelegenheiten ohne Einmischung von außen zu regeln. Die Autorität zur Selbstverwaltung sorgt für die Freiheit der Gruppe. Das ähnelt dem 3. Grundsatz, nur nicht auf individuller, sondern auf Gruppenebene. Wenn die Gruppe nicht die Möglichkeit dazu hat und in wichtigen Punkten von außen gelenkt wird, ist keine faire und inklusive Entscheidungsfindung möglich.

Gruppen arbeiten in unserer Kultur innerhalb einer größeren Gemeinschaft von anderen Gruppen. Um effektiv arbeiten zu können, müssen wir die Interessen anderer Gruppen berücksichtigen und auf eine kooperative Weise zusammenarbeiten. Das bedeutet, dass die Gruppe, die die Zusammenarbeit mit den anderen Gruppen abstimmt und in der Mitglieder der anderen Gruppen einbezogen sind, ebenfalls nach den Grundätzen 1-7 zusammenarbeitet.

Um effektiv zusammenzuarbeiten, ist es entscheidend, die Interessen anderer Gruppen zu berücksichtigen und kooperativ zu handeln. Die Zusammenarbeit ist in einer Steuerungsgruppe gebündelt, in der Mitglieder aus allen betroffenen Gruppen mitarbeiten. Diese Gruppe koordiniert die Zusammenarbeit mit den anderen Gruppen und bezieht Mitglieder anderer Gruppen ein. Sie handelt ebenfalls nach den Prinzipien 1-7 handelt.

Dadurch wird gesichert, dass auch in größeren Gemeinschaften die Bedürfnisse und Anliegen aller berücksichtig werden und das Vertrauen in die Gemeinschaft wachsen kann.

Warum sind diese Grundsätze wichtig?

Wenn sie in das alltägliche Verhalten in der Gemeinschaft integriert sind, sorgen siefür eine von allen als gerecht empfundene Verteilung von Aufgaben und der Vorteile aus der Gruppenzugehörigkeit. Alle Mitglieder der Gruppe werden fair behandelt und können sich gleichberechtigt an der Zusammenarbeit beteiligen. Gruppen arbeiteneffektiver zusammenarbeiten und erzielen bessere Ergebnisse.

Eine Studie zeigte, dass Gruppen aus dem Businesskontext im Durchschnitt alle Grundsätze nur mangelhaft eingeführt hatten. Die größten Defizite betrafen die Entscheidungsfindung (Prinzip 3), gemeinsames Identitätsverständnis (Prinzip 1) und lokale Autonomie (Prinzip 7).

Ziele werden in der Gruppe „gelebt“, wenn sie aus den Entscheidungen der Beteiligten erwachsen und diese entsprechend dem gemeinsamen Anliegen beeinflussen. Das Anliegen muss die durch alle Gestaltungsprinzipien beschriebenen Prozesse bestimmen.

Die Gestaltungsprinzipien sind Teil der Lösung hin zu einer guten nachhaltigen Zukunft

Die für eine gute nachhaltige Zukunft notwendigen Veränderungsprozesse funktionieren nur nur mit Vertrauen. Dafür brauchen Menschen das Wissen, dass ihre Interessen berücksichtigt werden. Wenn Vertrauen und Zusammenarbeit zwischen den Menschen gedeihen, können Veränderungsprozesse hin zu nachhaltigem und Leben und Wirtschaften wirksam werden.

Auf den 8 Gestaltungsprinzipien basierende Verwaltungssysteme könnten die Demokratie deutlich stärken. Alle Bürger*innen könnten sich dann an der Entscheidungsfindung für die für sie relevanten Fragen beteiligen und sich sicher sein, dass ihre Perspektiven und Bedürfnisse von Politik und Behörden ernstgenommen werden. Das betrifft

  • nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen
  • partizipative Beteiligungs- und Konfliktlösungsprozesse in Organisationen, z.B. durch Methoden der Soziokratie (4)
  • Politikgestaltung, z.B. Einbeziehung lokaler Gemeinschaften in die Entscheidungsfindung auf nationaler oder internationaler Ebene (5)

Die Gestaltungsprinzipien sind eine wertvolle Orientierungshilfe für Gruppen, die effektiver zusammenarbeiten, ihre Gemeinschaft stärken und bessere Ergebnisse erzielen möchten. Wenn Gruppen die Prinzipien in der Praxis anwenden, können sie sicherstellen, dass alle Mitglieder fair behandelt werden und sich gleichwertig, entsprechend ihren Bedürfnissen an, der Zusammenarbeit beteiligen können.

Aus meiner Sicht brauchen wir das für eine gute Zukunft und einen gesunden Planeten.

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Quellen